„Wo sind all die Menschen hin?“

Dialog im Quadrat

Seit kurzem ist Fußball-Bundesligist TSG Hoffenheim Mitglied der Mannheimer Runde. Freundlicherweise bot der Neuzugang auch gleich an, seine Infrastruktur im Business-Bereich des Sinsheimer Stadions für die Veranstaltungsreihe „Dialog im Quadrat“ zu nutzen. Thema des Abends war der „Umgang mit dem Fachkräftemangel“ und dafür hatte man zwei echte Arbeitsmarktprofis eingeladen: Thomas Schulz als Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Mannheim und den Leiter des Mannheimer Jobcenters, Carl-Philipp Schöpe. Ergänzt wurde die Expertise der beiden aus dem Blickwinkel eines betroffenen Arbeitgebers: Thorsten Riehle berichtete als Geschäftsführer des Capitol Mannheim, wie die Veranstaltungsbranche versucht, mit dieser schwierigen Situation umzugehen.

Nicht uninteressant war für die Mitglieder der Mannheimer Runde an diesem Abend auch, dass die eigene Veranstaltung in ein „Live“-Ereignis der Gastgeber eingebettet war. Vereinsvorsitzender Stefan Kleiber berichtete, dass der Zufall hier mitgeholfen hatte. Denn der Termin in der PreZero-Arena sei bereits lange ausgemacht gewesen, als die Auslosung für den DFB-Pokal der TSG ausgerechnet ein Heimspiel gegen Schalke an diesem Tag beschert habe. Weil die Einladungen bereits verschickt waren, wollte man nicht mehr verschieben. Was sich dann auch als richtige Entscheidung erwies. Dank der weitläufigen Dimensionen im Businessbereich der TSG konnte die Fachvorträge und die anschließende Podiumsdiskussion ohne große Störungen über die Bühne gehen.

Vielen Unternehmen in der Region macht der Arbeits- und Fachkräftemangel zu schaffen. „Wo sind all die Menschen aus der Zeit vor der Pandemie geblieben?“, fragen sich daher viele Firmen, bei denen offene Stellen unbesetzt bleiben. Warum das so ist, hat unterschiedliche Gründe, erklärten die beiden Mannheimer Arbeitsmarktexperten. „Wir haben keinen Stellenmarkt mehr, wir haben einen Bewerbermarkt“, lautete die Kernbotschaft von Thomas Schulz, die später auch von Thorsten Riehle bestätigt wurde. Die Gastronomie- und Eventbranche sei „nicht auffällig“. Es gebe Verschiebungen zu anderen Branchen, doch statistisch könne man keinen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsmarkt und dem Pandemiegeschehen erkennen. Die Beschäftigungsquote sei weiterhin hoch.

„Statistisch kann man vieles nachweisen, doch Statistik und die Lebenswahrheit liegen nicht immer beisammen“, so Schulz weiter. Sicher gebe es Fachkräfte-Engpässe in bestimmten Berufen, in Baden-Württemberg vor allem in Gesundheits- und Bauberufen. Ein Erklärungsansatz sei: „Wohin beraten wir als Eltern unsere Kinder? Da wird doch klar, warum das Handwerk an Zuspruch verloren hat“, spielt der Behördenleiter darauf an, dass viele Jugendliche ein Studium der Ausbildung vorziehen.

Der Leiter des Mannheimer Jobcenters, Carl-Philipp Schöpe, sieht viel Potenzial bei den Menschen in der Grundsicherung. Von den rund 29 300 Leistungsberechtigten in Mannheim seien etwa 21 000 erwerbsfähig. Wenn es gelinge, sie in Arbeit zu bringen, „setzt das auch finanzielle Ressourcen frei“ – in Mannheim liegen die Ausgaben für Grundsicherungsleistungen bei 207 Millionen Euro im Jahr. Allerdings, so Schöpe, haben drei Viertel der Kunden des Jobcenters keinen Berufsabschluss, zwei Drittel Haupt- oder keinen Schulabschluss.

Große Schwierigkeiten hat nach wie vor die Veranstaltungsbranche. Thorsten Riehle, Geschäftsführer des Mannheimer Capitols, sagte, dass die Sparte mit mehr als einer Million Mitarbeitern und rund 130 Milliarden Euro jährlichem Umsatz die sechstgrößte in Deutschland sei. Allerdings sei sie – vom Soloselbstständigen bis zum Konzern – „viel zu divers aufgestellt“. Um den Einfluss zu erhöhen, habe man sich in der Region zur Gruppe „Alarmstufe Rot“ zusammengetan. Die Branche erlebe gerade vier Krisen gleichzeitig: Corona, Kaufzurückhaltung, Inflation und fehlendes Personal. Sie müsse als Arbeitgeber attraktiver werden, so Riehle: „Die Mitarbeiter suchen mittlerweile uns aus und nicht mehr wir die Mitarbeiter, diese Zeiten sind erst mal vorbei.“